Linkedin ist wie Facebook für Schlipsträger.

Linkedin sei ein Haifischbecken, wurde ich gewarnt. Ich fühlte mich gewappnet.
Ich wurde gewarnt, Linkedin sei ein Haifischbecken. Bild von Jordy Meow auf Pixabay

Vor ein paar Wochen bin ich aus meiner Morgenroutine gefallen, die den Algorithmus beeindrucken sollte. Mein Ziel mit meinem Linkedin-Auftritt war es, Herzensmenschen zu erreichen, die gerne mit mir zusammenarbeiten wollen, um was Neues zu erschaffen. Es gab den finanziellen Anspruch, keine Frage. Und ich schätzte es sehr, hier auf Geschäftsleute zu treffen, denen klar ist, dass es hier auch und vielleicht sogar vorrangig ums Geschäfte machen geht.

Beim Geschäfte machen habe ich einen sehr altmodischen und konservativen Ansatz: Ein Geschäft ist dann gut, wenn es allein Beteiligten einen Mehrwert bringt. Im besten Fall wirkt sich der Mehrwert auch pekuniär aus. Im schlechtesten Fall bleibt es bei einem freundlichen und wertschätzenden Gespräch mit der Erkenntnis, dass es keine weitere Zusammenarbeit gibt. Mit dieser Intuition machte ich sehr großzügig Angebote für ein unverbindliches Zoom-Gespräch zum besseren Kennenlernen. 

Ich erinnere mich noch an eines meiner ersten Gespräche, wo mich ein Herzensmensch darauf aufmerksam machte, dass Linkedin ein Haifischbecken sei, das feinfühlige Menschen arg ramponieren könne. Nun, ich habe eine Kindheit in einer dysfunktionalen Familie und eine toxische Ehe hinter mir, was sollte schon passieren? Dann lernte ich sie kennen, die Haifische. Es gab Zoom-Gespräche, wo ich anschliessend minutenlang am Sofa lag, in meine Kuscheldecke gewickelt und mich ans Atmen erinnerte. Es gab die Zoom-Gespräche, nach denen ich barfuß in den Garten lief und dem Hollerbusch meine Erfahrung schilderte. 

Haifischbecken Business-Netzwerk Linkedin

Da war dieses Videogespräch, das mit einem Affront begann und allen meinen Bemühungen trotzte, doch noch ein harmonisches Gespräch zu werden. Das war jenes Gespräch, dem die Kuscheldecke folgte. Ich analysierte die ersten Sätze, die mir wortgetreu im Gedächtnis hängen geblieben waren und erkannte das dahinter liegende Verhaltensmuster. Ich wollte ab sofort besser auf die ersten Anzeichen achten.

Da war dieses Coaching, das mit der Intention begann, mein Geschäft der Autorenbegleitung auf tragfähige Beine zu stellen. Als mir zum zweiten Mal dringend nahegelegt wurde, mich doch endlich pieksen zu lassen um einen Minijob als Supermarkthilfskraft anzunehmen, hab ich im ersten Schreck den Laptop zugeklappt. Am nächsten Tag die Zusammenarbeit vorzeitig beendet und die „Coachingstunden“ analysiert. Auch hier erkannte ich Muster und ich wollte in Zukunft noch besser auf die ersten Anzeichen achten.

Endlich der Durchbruch?

Dann wurde ich „entdeckt“! Eine Startup-Unternehmerin lud mich ein, Trainerin in ihrem Unternehmen zu werden. Ich hätte das Zeug dazu. Es bedürfe nur einer mehrmonatigen Ausbildung in ihrer Methode, die ich mit Links schaffen würde. Gegen Ende der Ausbildung war ich stolz auf mich, dass ich in dem 1:1-Videogespräch erkannte, dass ich gerade manipuliert wurde. Sicher war das Teil der Ausbildung! Ich sprach die Trainerin im nächsten Zoom darauf an und flog hochkant hinaus. Ich sei eine Verschwörungstheoretikerin und könne deshalb ja nur schwarz-weiß denken. Völlig ungeeignet sei ich deshalb als Trainerin. Herzhaft lachend nahm ich den Rauswurf als Auszeichnung an. Jetzt fühlte ich mich endlich fit für Linkedin.

Da war dieses Coaching-Angebot in der mir die Verkäuferin erklärte, dass ich für mein Angebot locker mehr Geld verlangen könnte. Der Haken daran: Sie hat mir weder gesagt, wieviel mehr, noch hatte sie sich überhaupt angehört, wie mein Angebot aussieht.

Was mache ich da eigentlich?

Und dann war das Gespräch, das mich am stärksten bewegte. Es war kein Haifisch. Es war jemand, der ein Netzwerk aufbauen wollte, der sich viel Zeit nahm für den persönlichen Austausch. Er erklärte mir, dass es mindestens 2.000 Kontakte brauche, bevor ich auf Linkedin monetären Erfolg haben würde. Er erklärte mir, dass alle, die mich um Kontakt angefragt hätten, dies nur getan hätten, um mir etwas zu verkaufen. Und wenn ich wolle, dass ich verkaufe, müsse ich Kontakte knüpfen. 20 pro Tag. 100 pro Woche. 

Im ersten Moment klang das nicht nur schlüssig sondern auch machbar. Und dann konnte ich keine Beiträge mehr schreiben. Ich konnte Linkedin nicht einmal mehr aufmachen. Ich konnte die Nachrichten, die sich sammelten, nicht mehr beantworten. Alles in mir verkrampfte sich beim Gedanken an Linkedin. Jedesmal, wenn sich der Mauszeiger zu den Lesezeichen bewegte und dem Link für Linkedin näherte, musste ich aufstehen und in den Garten gehen.

Kaltaquise als Leistungssport

Es erinnerte mich an den Moment, wo ich aus dem Network-Marketing raus war. Da wurde mir zusammengefasst folgendes beigebracht: Nerve 100 Menschen so lange, bis 10 davon mehr wissen wollen. Nerve diese 10 Menschen so lange, bis 2 davon bei dir kaufen. Geschäftserfolg folgt einer Formel, du kannst deinen Kontostand aus der Anzahl deiner Kaltkontakte errechnen. 

Linkedin ergänzte diese Formel mit: Es ist egal, ob du ein Produkt für € 10,- verkaufst oder eins für € 10.000,-. Für beide Abschlüsse redest du gleich lange. Verkaufe dich hochpreisig! Für mich passt das immer weniger mit meiner antiquierten Definition eines guten Geschäfts zusammen. Ich bin raus.

Herzmenschen ticken anders

In den vergangenen 3 Wochen habe ich meine beiden Telegram-Kanäle bespielt. Mein Herz geht auf, obwohl ich bis jetzt nur einen Bruchteil der Abonnenten habe im Vergleich zu meinen Linkedin-Kontakten. Doch es sind Herzensmenschen, mit denen ich mich austausche. Menschen, die als Schwurbler, Aluhüte, Verschwörungstheoretiker und ähnliches diskreditiert und ins rechte Eck gedrängt wurden. Es sind Menschen, die sich im wirklichen Leben vernetzen wollen. Ich habe in den vergangenen Tagen neue persönliche Kontakte geknüpft. Und ich habe den Entschluss gefasst, mit echten Menschen zu arbeiten. Wie, das wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen. 

Die letzten drei Jahre haben mich hungrig gemacht nach echten sozialen Kontakten. Ich hab mich überfressen an digitalen und virtuellen Kontakten, denen nicht einmal auffällt, dass ich seit Wochen nichts mehr gepostet habe. Das ist mir vor knapp zwei Jahren auf Facebook passiert und ich habe daraufhin meinen Facebook-Account gelöscht. Das ist mir jetzt mit Linkedin passiert. Du findest mich auf Telegram und in meinem Wohnort.

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Ein Gedanke zu „Linkedin ist wie Facebook für Schlipsträger.

  1. Samuela Frei Antworten

    Ich habe diesen Text auf LinkedIn gelesen und ich habe Dich sooo gefeiert.
    Der allererste Gedanke war, “endlich spricht mal einer das aus, wie es wirklich IST”!

    Danke für Deine direkte und für mich verblümte Art.

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